Anwenderbericht: Intermec 6651

von Ron Baldwin
(read Ron's original review in English here)


Man stelle sich ein 860 Gramm schweres Elektronikpaket vor, unwesentlich größer, aber nicht dicker als ein Taschenbuch, das einem 90% der Möglichkeiten bietet, die man von einem vollwertigen Desktop-Rechner erwartet!

Dieses wahrhaft himmlische Geschenk kann zudem wahlweise wie ein konventionelles Notebook aufgeklappt oder auf Wunsch auch ganz zu einem Tablet-PC umgeklappt werden! Dieses Wunderwerk bringt ein prächtiges 7,4" Display mit, transflektiv, problemlos selbst bei strahlender Sonne abzulesen und mit einer bemerkenswerten Auflösung von 800x480 Bildpunkten. Die Darstellung ist so gestochen scharf (ohne hier auf ein Wortspiel aus zu sein), die Darstellungsqualität so überwältigend, es läßt sich kaum in Worte fassen. Ich kenne keinen anderen HandheldPC und nur sehr wenige Laptops, deren Bildschirm auch nur annähernd so gut wäre.

Die Bemerkung mit dem Wortspiel muß ich erklären: Die Darstellungsschärfe des Bildschirms, auf Englisch "sharpness", ist, wie überhaupt das Gesamtpaket, ein Meisterstück an Ingenieurskunst aus dem Hause Sharp, einem der größten japanischen Elektronikkonzerne. Sharp brachte dieses Gerät ursprünglich als 7000er Serie auf den Markt, die Intermec Corporation verkaufte es wenig später als OEM-Version unter der Bezeichnung "6651".

Was sonst macht dieses kleine Wunderding zu einem wahrhaftigen Meilenstein in Sachen Handheld, für den ich es halte? Nun, es sind weniger spezielle Features, die jedes für sich genommen sicherlich auch in anderen Geräten zu finden sind, sondern es ist die Kombination all dieser Features und die geschickte Art und Weise, wie sie in den 6651 integriert wurden.

Beginnen wir einfach mit dem Innenleben, ja? Sharp hat ins Zentrum des Geschehens einen 129 MHz MIPS Prozessor gesetzt und ihm zur Seite 32 MB schneller RAM-Bausteine. Zwar war das schon damals nicht die schnellste verfügbare CPU, wohl auch nicht die zukunftssicherste aus heutiger Sicht, aber nichtsdestotrotz zauberte Sharp einen der zu seiner Zeit schnellsten am Markt erhältlichen HandheldPCs. Im 6651 sind zwei Megabyte dedizierten Videospeichers verbaut - in jener Gerätegeneration einzigartig - was einen blitzschnellen Bildaufbau garantiert. Irgendwie hat Sharp es geschafft, praktisch jeden einzelnen Taktzyklus des MIPS-Prozessors in pure Performance umzusetzen. Es gibt tatsächlich keinen HandheldPC, der es bei vergleichbarer Taktrate mit der Performance des 6651 aufnehmen könnte. Und nicht wenigen deutlich schneller getakteten Geräten ist der 6651 in Benchmarks dicht auf den Fersen.

Sharp überläßt es dem Anwender, welches Betriebssystem im 24 MB großen, praktisch unzerstörbaren ROM-Chip installiert werden soll. Windows CE 2.11 oder HandheldPC 2000 stehen zur Wahl, was dem Privatanwender ebenso wie dem Firmenkunden die Möglichkeit bietet, das Gerät ganz nach den eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu bestücken. HPC 2000 ist äußerst flexibel und bietet eine Reihe von Features und zusätzlichen Optionen, die in CE 2.11 fehlen. Zum Beispiel lassen sich unter HPC 2000 viele, aber leider nicht alle Applikationen ausführen, die für PocketPC 2000 entwickelt wurden. Wie auch Applikationen für Windows CE 2.11. Gewissermaßen hat der Anwender damit das beste aus beiden Welten zur Verfügung. HPC 2000 bringt darüber hinaus den Internet Explorer 4.01 for CE mit, der noch heute mit den meisten Websites zurecht kommt, darunter auch solche, die eine gesicherte Verbindung voraussetzen.

Welche anderen Überraschungen hält der 6651 noch bereit? Nun, etwa eine 640x480 Digitalkamera, die Sharp clever ins Gehäusescharnier integriert hat, und die gleichermaßen Standbilder wie auch kurze Videos aufnehmen kann, wenn das Gehäuse aufgeklappt oder umgeklappt ist. Die Auflösung der Kamera ist sicher nicht umwerfend, aber die Resultate sind allemal ausreichend, um unterwegs mal schnell eine Videonotiz aufzunehmen. So ganz nebenbei ergibt sich damit auch die Gelegenheit, mit dem 6651 Videokonferenzen abzuhalten unter Zuhilfenahme der eingebauten Kamera und der zusätzlich zu installierenden Software Microsoft Portrait, die kostenlos zum Download angeboten wird.

Sharp hat sich sichtlich Gedanken gemacht zum Thema Erweiterbarkeit. Der 6651 bringt einen PCMCIA- und einen CompactFlash-Slot mit wie die meisten Handhelds dieser Zeit. Die Kartensteckplätze sind jederzeit gut zugänglich an den beiden Gehäuseseiten angebracht, also nicht wie bei der Jornada-Serie, bei der HP den CF-Slot auf der Geräteunterseite "versteckt" hat. Anders auch als die Jornadas, anders als die meisten HandheldPCs, bringt der 6651 zusätzlich einen USB Host-Port mit. Ja, richtig gelesen.

Der USB Host-Port eröffnet Zugang zu einem breiten Spektrum an Zubehör. In Japan wurden Treiber zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe sich eine Vielzahl an Mäusen, Tastaturen, Diskettenlaufwerken, Speicher-Sticks und sogar externe Festplatten an den 6651 anschließen lassen. Wenn man einen USB Hub verwendet, können sogar mehrere USB-Peripheriegeräte gleichzeitig genutzt werden. Obwohl das natürlich die Mobilität beeinträchtigt. Immerhin hat der Anwender die Möglichkeit, ganz nach Wunsch diese Option zu nutzen oder auch nicht, worauf sich letztlich meine Aussage gründet, der 6651 böte 90% des Funktionsumfangs unterwegs, den ein Desktop-Rechner am heimischen Schreibtisch zur Verfügung stellt.

Mit dem 6651 zu arbeiten ist pures Vergnügen. Die 15mm großen Tasten des Keyboard erlauben ordentliches Tippen, sprechen gut an und fühlen sich gut an. Empfindlichkeit und Genauigkeit des Touchscreen Digitizer sind genau richtig, erfordern nur leichte Berührung und ermöglichen problemloses Drag&Drop in Anwendungen. Tatsächlich kann man mit diesem Handheld stundenlang Daten eingeben, ohne daß die Arbeit zur Qual wird.

Weil wir gerade bei stundenlanger Arbeit sind: Der Standard-Akku im Lieferumfang erlaubt mehrere Stunden kontinuierlichen Betriebs, wenn man die Hintergrundbeleuchtung nicht gerade auf voller Stärke fährt und ununterbrochen eine WLAN-Verbindung aufrecht erhält. Das eingebaute 56k-Modem etwa ist eine weitaus energiesparendere Methode, um mal eben E-Mails abzurufen oder ein bißchen im Web zu surfen. Wenn der Akku annähernd vollständig entleert ist, dauert das Wiederaufladen etwa zwei bis drei Stunden, deutlich weniger lang natürlich, wenn man dem Akku nur zwischendurch eine Auffrischung spendiert.

Pocket Office und Outlook sind an erster Stelle zu nennen, wenn es um die Software-Ausstattung des 6651 geht. Anwender werden sich mit Pocket Office schnell zurecht finden, da die Benutzerführung sich sehr weitgehend an der der "großen" Office-Anwendungen für den Desktop-Rechner orientiert. Aufgaben, Kontakte und Termine lassen sich am Handheld einfach verwalten und ebenso einfach mit den Outlook-Daten am Windows-PC synchronisieren. Interessanterweise steht für die Sync-Verbindung nur entweder das serielle Kabel zur Verfügung, was grottenlangsam vonstatten geht, oder bei bereits eingerichteter Partnerschaft LAN bzw. WLAN, was das Syncen in einem Höllentempo erlaubt.

Eines Tages, bin ich überzeugt, wird es in der Rückschau heißen, dieser HandheldPC sei der in Sachen Formfaktor und Ausstattung der evolutionäre Gipfelpunkt gewesen, der nur schwer jemals zu übertreffen sein wird.

29. September 2005
Ron Baldwin

R or N Baldwin
459 Leacock Drive,
Barrie, Ontario, CA.
L4N 4X6

Namentlich gekennzeichnete Anwendertestberichte geben ausschließlich die Erfahrungen und Meinungen des Autors wieder.


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