Review: Samsung Nexio S160


Stylisch ist er ja, der Kleine, ein echter Hingucker. Vor allem PocketPC-Besitzer bekommen große, nicht selten gierige Augen. Nutzer klassischer HandheldPCs andererseits ziehen meist abschätzig eine Augenbraue hoch: Das soll auch ein HPC sein? Streng genommen natürlich nein, die Plattform "HandheldPC" gibt es offiziell ja nicht mehr. Aber es ist ein PDA mit Betriebssystem CE.NET 4.1, eben kein PocketPC, stattdessen mit vergleichsweise großformatigem Screen und (optionaler) Tastatur - und damit dicht genug dran. Der Samsung Nexio S160 markiert mit gerade mal 250 Gramm Gewicht gewissermaßen das andere Extrem des mit Windows CE technisch machbaren Tastatur-Organizers neben riesengroßen, mächtig schweren Arbeitspferden wie dem Psion Netbook Pro oder dem Data Evolution Clio NXT.


Der Samsung Nexio im Größenvergleich mit einem handelsüblichen PocketPC...


...und mit dem NTT DoCoMo Sigmarion III.

Der koreanische Hersteller Samsung bringt einiges an Erfahrung mit in Sachen Windows CE. Der Beginn der Nexio-Baureihe datiert nämlich bereits einige Jahre zurück. Nexio S150/151 hießen die ersten Geräte, liefen unter HPC 2000 und waren für den europäischen oder amerikanischen Markt völlig uninteressant, ebenso noch der Nachfolger S155 mit CE.NET. Grund: Die ersten Nexios wurden allesamt als Smartphones vermarktet, das integrierte CDMA-Mobilfunkmodul läßt sich in hiesigen Netzen aber nicht nutzen. Beim Nexio S160 ließ Samsung erstmals das CDMA-Modul weg und baute stattdessen eine WLAN-Einheit ein. Nicht nur das, ausgeliefert wurde der S160 mit englischsprachiger Benutzeroberfläche - ein klares Indiz dafür, daß eine weltweite Vermarktung durchaus geplant war, ebenso wie das beiliegende Universalnetzteil für 110V und 240V Stromnetze. Geplant war, wie gesagt. Nach USA oder Europa hat es der Nexio S160 nämlich nie geschafft. Stattdessen präsentierte Samsung auf der CeBIT 2004 gleich den S160-Nachfolger XP30, technisch nur geringfügig überarbeitet mit etwas stärkerer CPU und USB-Port zum Anschluß von Peripheriegeräten. Der Nexio XP30 soll nun tatsächlich irgendwann vielleicht auch in Deutschland angeboten werden. Grund genug, den aktuell noch in Fernost erhältlichen S160 genauer in Augenschein zu nehmen und zu testen, ob das Gerät auch zum Arbeiten taugt und nicht nur als Blickfang.

Zunächst zum Innenleben. Ein Intel XScale PXA250 mit 400 MHz macht den Nexio S160 zwar nicht zum Rennpferd, aber liefert doch ausreichend Leistung für alle handelsüblichen Applikationen. Die eingesetzte Grafiklösung taugt für Alltagsaufgaben, Messageboxen und Dialogfenster werden ohne merklichen Zeitverlust aufgebaut, selbst das Scrollen in z.B. langen Texten geht angenehm flott vonstatten. Wenig geeignet ist der Nexio zur Video-Wiedergabe. Ähnlich wie beim Psion Netbook Pro laufen nur briefmarkengroße Videos ruckelfrei.

Üppige 128 MB flüchtigen Arbeitsspeicher bringt der Nexio mit, von denen knapp 87 MB dem Anwender zur Verfügung stehen. Zusätzlich bietet ein als "Nexio Vault" eingebundenes Flash-Speicherlaufwerk rund 37 MB Ablagevolumen für wichtige Daten und Programme, die auch einen Hardreset überdauern. Dagegen gibt es nur einen einzigen CompactFlash Typ II Slot für Erweiterungskarten. Auch sonst steht es äußerst schlecht in Sachen Anschlußmöglichkeiten für Peripherie: Ein proprietärer Port steht zur Verfügung, um den Nexio zum Syncen über USB mit dem PC zu verbinden oder wahlweise über ein mitgeliefertes Adapterkabel einen externen Monitor oder Beamer anzusteuern, das war's. Kein USB Host-Port, kein serieller Anschluß, kein Bluetooth, aber immerhin ein interner WLAN-Controller, der nach dem Wifi-Standard 802.11b arbeitet. Zwei weitere propritäre Anschlußbuchsen gibt es, die zum Betrieb optional erhältlicher Erweiterungsmodule gedacht sind. Diese werden von unten an den Nexio montiert, ganz ähnlich den "Jackets", mit denen sich frühere Compaq Ipaq-Modelle aufrüsten ließen. Immerhin: Es gibt ein Erweiterungsmodul, um am Nexio einen PCMCIA-Slot nachzurüsten.

WLAN funktioniert mit dem Nexio unauffällig im positiven Sinne: Über ein Control im Systray wird der WLAN-Adapter aktiviert oder deaktiviert, alle notwendigen Einstellungen werden seit CE.NET 4.1 über einen mit dem Betriebssystem gelieferten, recht übersichtlich strukturierten Konfigurations-Manager gesteuert. Im Test ließen sich schnell und unkompliziert sowohl AdHoc- wie Infrastructure-Verbindungen einrichten. Auffällig war lediglich der sehr hohe Stromverbrauch beim Initialisieren des WLAN-Moduls, die Batterieanzeige ging sprunghaft in den Keller.

Überhaupt zur Batterie: Einen ultraflachen 1500mAh Lithium-Ionen Akku hat Samsung dem Nexio spendiert, nominell ausdauernd genug für etliche Stunden Betrieb. Mehr als zweieinhalb Stunden Dauereinsatz sind aber nicht drin, auch ohne eingeschaltetes WLAN und mit bereits heruntergedimmtem Display. Die Ursache für diesen hohen Stromverbrauch ließ sich im Test nicht ermitteln. Wer längere Laufzeiten benötigt, muß zwangsläufig zusätzlich die Extended Battery kaufen, die Samsung im Format der erwähnten Erweiterungsmodule anbietet.

Augenfälligster Unterschied zu herkömmlichen HandheldPCs ist das Fehlen einer Tastatur. Wie am PocketPC erfolgen Texteingaben am Nexio über ein virtuelles Keyboard am Touchscreen oder per Handschriftenerkennung. Samsung hat dafür allerdings nicht Microsofts Transcriber gewählt, sondern DioPen aus dem koreanischen Software-Hause Dio Tek. Außerdem stehen für Benutzereingaben links neben dem Display drei frei belegbare Hardware-Tasten und eine Fünf-Wege-Navigationswippe zur Verfügung

Als optionales Zubehör erhältlich ist eine anklippbare QWERTY-Tastatur, die den Lederdeckel als Display-Schutz ersetzt. Die frei schwingende Anbringung erleichtert das Tippen nicht gerade, ebenso die teils gewöhnungsbedürftige Plazierung von Sondertasten. Die Shift-Taste etwa ist nach einigem Suchen rechts unten zu finden, einhändige Texteingabe unterwegs setzt da schon akrobatische Fingerverrenkungen voraus oder eben den Verzicht auf Großbuchstaben. Was recht gut klappt dagegen ist der Einsatz zuhause oder im Büro unter Zuhilfenahme der Docking Station. Die nämlich ist so ausgeformt, daß sich der aufgeklappte Nexio stabil und in einem für das Arbeiten angenehmen Winkel aufstellen läßt auf der Tischplatte.


Anklipptastatur mit eigentümliche Layout

800x480 Bildpunkte Auflösung bei fünf Zoll Diagonale bietet das Display des Nexio - in jeder Hinsicht angenehm mehr als jeder PocketPC. Der Vergleich zum identisch großen Screen des Sigmarion III fällt zu Ungunsten des Nexio aus, was Schärfe und Kontrast der Darstellung betrifft, da spielt der Sigmarion definitiv in einer anderen Liga. Andererseits hat Samsung sichtlich mehr Mühe darauf verwendet, die Benutzeroberfläche an die hohe physikalische Auflösung des Displays anzupassen. Zwar nutzen auch die Koreaner nur das von Microsoft bereits mitgelieferte XP Style, anstatt wie bSQUARE beim Maui ein eigenes Darstellungsschema zu entwickeln und perfekte Ergonomie zu bieten. Aber immerhin hat Nexio die Oberflächen der meisten mitgelieferten Standard-Applikationen überarbeitet, angemessene Schriftgrößen eingestellt und angenehm große Schaltflächen verwendet wie in den Screenshots weiter unten noch deutlich werden wird. Auch die GUI anderer, nachträglich installierter Programme läßt sich vom Anwender selbst noch in Maßen manipulieren dank eines eigenen Controls in der Systemsteuerung. Beim Sigmarion III sind solche Anpassungen nur über direktes Editieren der Registry möglich.

Deutlich aufgewertet hat Samsung die Software-Ausstattung des Nexio. Neben den Basisapplikationen, die jedes CE.NET-Gerät mitbringt - Internet Explorer, Mail Client, Mediaplayer, Wordpad, magere Office Viewer - findet der Anwender eine ganze Reihe äußerst nützlicher Ergänzungen. Ptab spreadsheet etwa, eine ausgereifte und leistungsfähige Tabellenkalkulation für unterwegs, die sogar Makros beherrscht. Oder einen zusätzlichen Presentation Viewer (neben dem Viewer von Microsoft) zur Darstellung von Powerpoint Folien auf dem Nexio. Über den bereits erwähnten Kabeladapter lassen sich Präsentationen o.ä. auch auf einen externen Monitor oder Beamer ausgeben. Eine praktische Sache in Meetings. Die sollten aber nicht zu lange ausfallen, ansonsten reicht womöglich die magere Batterielaufzeit nicht.


Leistungsfähige Tabellenkalkulation aus Fernost: Ptab spreadsheet

Als reines Business-Gerät ist der Nexio aber nicht konzipiert, etliche Zusatzprogramme sorgen für Spaß unterwegs. So gibt es neben dem Microsoft Mediaplayer noch einen zweiten MP3-Abspieler im ROM, der sich auf die allernötigsten Features beschränkt und den ich deshalb dem Mediaplayer allemal vorziehe. Auch zwei kleine Spiele finden sich im ROM des Nexio, ein drittes wird auf CD zum Nachinstallieren mitgeliefert: Zio Golf, eine recht ansehnliche Golfsimulation, die es normalerweise frei verkäuflich nur für den PocketPC gibt. Golf auf dem Handheld ist denn doch wieder genau das Richtige für ein Business-Gerät...


Kontakteverwaltung mit cePIMs: Per "Connect"-Button läßt sich am S150/155 ein Anruf aufbauen

Kontakt-, Termin- und Aufgabenverwaltung erledigen am Nexio die zugekauften cePIMs von TecAce, die zumindest für den Normalnutzer alles bieten, was er braucht. Wiederkehrende Termine oder Aufgaben etwa lassen sich so komfortabel wie flexibel eintragen, die Alarmierung erfolgt per blinkender LED, auf Wunsch auch akustisch. In jeden Kontaktdatensatz kann sogar ein Photo mit eingebunden werden. Der Eintrag von Geburts- oder Jahrestagen in den Kontakten hat andererseits leider keinen Effekt, die automatische Übernahme in den Kalender klappt nicht.

Samsung hat die TecAce-Produkte offensichtlich ursprünglich für die Telefonie-tauglichen Geräte S150 und S155 gewählt, weil die koreanische Software-Schmiede mit cePhone eine maßgeschneiderte Lösung für Smartphones mit enger Verzahnung zum hauseigenen Paket cePIMs bietet. Der Button "Connect" in der Kontakteverwaltung ist am Nexio S160 ein Überbleibsel davon; am S160 läßt sich auf diesem Weg immerhin noch der Mail-Client öffnen, für Telefonanrufe wäre ein in Korea erhältliches CDMA-Erweiterungsmodul erforderlich.

Die PIM-Applikationen von TecAce verwalten Einträge nur zum Teil in der Pocket Outlook Datenbank. Kontakteinträge lassen sich dadurch mit Outlook auf dem Desktop-Rechner ohne Zusatz-Software synchronisieren. Um auch Termine und Aufgaben mit dem Windows-PC abgleichen zu können, muß von der mitgelieferten CD ein Tool namens NEXIO Sync installiert werden. Das klinkt sich direkt in ActiveSync ein und sorgt für korrektes Mapping der Datenbankfelder.


Der Kalender reicht für Normalnutzer allemal.

So rund die Software-Ausstattung scheint, ab und an nerven Unzulänglichkeiten. Der Taschenrechner etwa verheddert sich mit dem Tastaturpuffer, Eingaben erscheinen erst etliche Tastenanschläge später, was den kleinen Rechner so gut wie nutzlos macht. Das mitgelieferte Backup-Tool, ebenfalls zugekauft von TecAce, sichert nur die PIM-Datenbank, nicht aber die vom Benutzer erstellten Dateien, noch nicht mal die Registry und die dort gespeicherten individuellen Einstellungen des Users.

Ein besonders dicker Bug lauert im Hardware-Design des Nexio S160: Bei tief entladener Batterie kann beim Booten nach einem Hard- oder Softreset ein Bit kippen und das FlashROM des Gerätes auf "write" setzen. Effekt ist, daß ROM-Lesezugriffe nicht mehr zuverlässig funktionieren, Applikationen sich mit einer Fehlermeldung verabschieden und irgendwann der Nexio komplett einfriert. Den Fehler beheben kann der Anwender nicht selbst, das Gerät muß eingeschickt werden. Ein teurer und langwieriger Spaß, da der Nexio bislang nur in Fernost verkauft und auch nur dort supportet wird. Angesichts des hohen Stromverbrauchs und der kurzen Laufzeit des Akku läßt sich kaum vermeiden, mit dem Gerät in den "roten Bereich" einer fast leeren Batterie zu kommen. Entsprechend häufig tritt der Fehler auf, wird in den einschlägigen Mailing-Listen und Newsgroups seit Monaten aufgeregt diskutiert, meist unter dem Schlagwort "blue LED of death" wegen des kurzen Aufflackerns der WLAN Status-LED beim Booten, die in diesen Fällen nicht selten das letzte Lebenszeichen des Nexio ist. Abhilfe von Samsung in Form eines Updates o.ä. gibt es bisher nicht. Dabei liefert Samsung sogar eigens ein Tool namens "Nexio Update" mit, um ein neues ROM-Image zu flashen. Gebrauchtkäufer und Direkt-Importeure seien gewarnt: Nicht von der Vorfreude übermannen lassen und den frisch eingetroffenen Nexio gleich in Betrieb nehmen, erst ans Ladegerät und den Akku voll betanken! Läßt sich nur hoffen, daß der selbe Fehler nicht auch beim Nachfolger XP30 auftritt.

Jürgen Rothberger
März 2005


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